Freitag, 23. Januar 2015

Ohrfeigen und Pistolen

Wie schmerzhaft muss es sich anfühlen, so in der Öffentlichkeit gedemütigt zu werden, so in der Ehre verletzt? Zu wissen, dass alle Deine Engsten genau so darunter leiden wie Du?
Bis man schliesslich eine Massnahme ergreift, welche man sich nie erträumt hätte.
Wie viel braucht es dafür? Dies möchte Heinrich Böll mit seinem Buch "die verlorene Ehre der Katharina Blum" verdeutlichen.

Vor rund 41 Jahren wurde die fiktive Erzählung, welche 145 Seiten umfasst, durch den deutschen Taschenbuch Verlag veröffentlicht. Der Autor spricht ein Thema an, das nicht nur zu seiner Zeit gewaltige Wichtigkeit erlang, nein, auch bei uns erntet das Thema noch heute grosse Aufmerksamkeit.
Der Untertitel des Buches "Wie Gewalt entsteht und wohin sie führen kann" spricht die Auswirkungen an.

Das Buch handelt von einer jungen Frau namens Katharina Blum, welche durch Zufall den gesuchten Bandit, Ludwig Götten kennenlernt. Sie, wie auch er, verlieben sich auf Anhieb unsterblich in einander. Sie verbringen eine gemeinsame Nacht, bis er am nächsten Tag, als die Polizei die Wohnung der jungen Frau stürmt, spurlos verschwindet. Ein langer Prozess beginnt, welcher die ungeteilte Aufmerksamkeit einer gewissen ZEITUNG erobert. Diese schreckt vor keiner Tat zurück und beginnt schlagartig selber Ermittlungen durch einen gewissen Werner Tötges zu führen, deren Aussagen der Richtigkeit verfälscht werden. Dadurch leidet nicht nur die blossgestellte Katharina, sondern auch die Personen, die ihr wichtig sind. 
Als schliesslich ihre Mutter plötzlich stirbt und die Schuld auf den Journalisten der ZEITUNG, Werner Tötges geschoben wurde, der unerlaubterweise ein Interview mit ihr führte, platzt der ansonsten ruhigen und schüchternen Person der kragen. Sie lädt ihn zu einem Interview ein, wo sie ihn schlussendlich erschiesst.

Heinrich Böll möchte damit auf die Gefährlichkeit der Presse und Medien aufmerksam machen. Er zeigt mit dieser Geschichte ein extremes Beispiel auf, welches aber die Entstehung der Gewalt darstellt und wohin sie schlussendlich führen kann.
In seinem Nachwort, welches er zehn Jahre später schrieb, möchte er durch Tatsachen darauf verweisen, welche Unruhe er durch das Schreiben seiner Geschichte gestiftet hat.
Seine Pamphlet (siehe Fremdwörter-Post), welches er in eine Erzählung schmückte, wurde sogar als "Terroristen-Roman" bezeichnet. Dabei möchte er den Lesern damit klar machen, dass Medien, vor allem diese ZEITUNG, vollgesogen mit Lügen ist und sobald unverfälschte Tatsachen darin erscheinen, diese als Lüge betrachtet werden. 

"Kurz gesagt: sie zieht sogar die Wahrheit in den Dreck, wenn sie sie wahrheitsgemäss wiedergibt." 
(Nachwort von Heinrich Böll S. 141)

Durch das Grossschreiben der ZEITUNG möchte er vermutlich die BILD-Zeitung verkörpern. 
In der Geschichte wird sie als eiskalte, berechnende "Terroristenbraut" bezeichnet. Damit kann man seine Wut gegenüber der Boulevardpresse herausspüren. Böll ist nämlich ein bekannter Kritiker der selten ein Blatt vor seinen Mund nimmt.

Das Buch beginnt direkt mit dem Tathergang, obwohl man noch gar keine Grundkenntnisse des gesamten Buches hat. Man ist also direkt mitten drin. Dies sorgt zu beginn für eine grosse Verwirrung (zumindest bei mir), doch je mehr man liest, desto mehr wird man Aufgeklärt.
Im Buch kommen zudem auch sehr viele Personen vor, wodurch man schnell den Überblick verliert und man deswegen die Gewichtigkeit auf die Personen legt, obwohl diese eigentlich nicht viel zum Geschichtsverlauf beitragen. Wesentlich gibt es drei Personen welche wichtig sind und die ZEITUNG, welche subjektiv dargestellt wird. 

Am Anfang tat ich mich schwer, das Buch in die Hände zunehmen und darin zu lesen, denn durch meine anfängliche Verwirrung habe ich ständig die Kapitel wiederholt, doch das hat mir letzten Endes nicht viel gebracht. Als ich mich dann aber dazu aufraffen konnte, kam ich schnell voran. Ich stoppte allerdings immer wieder um das Gelesene zu überdenken und die vielen Informationen zu verarbeiten. Doch wenn man das Buch gelesen hat, erkennt man die Raffinesse und Kreativität von Heinrich Böll. Zuvor habe ich mich ausschliesslich während meiner Projektarbeit, die vom Schönheitswahn, welcher aufgrund der Medien verbreitet wird handelt, befasst. Dass die Medien allerdings bis zu solchen Verzweiflungstaten führen kann, wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Allerdings wurden mir nun die Augen geöffnet und ich konnte so meine Sichtweise zu den Medien anpassen.
Zum Schluss kann ich also sagen, dass ich das Buch als sehr packend und empfehlenswert betrachte.

Zurück zu meinen anfänglichen Fragen.
Die Medien können schmerzhafter denn je sein. Durch diese Bedeutsamkeit die sie in der Gesellschaft gewonnen hat, kann die kleinste Aussage gravierende Folgen mit sich reissen. Je nach dem wie die Presse die Storys ausschmückt bzw. verfälscht oder eben nicht, kann sie in der Öffentlichkeit mehr oder weniger zu riesigen Diskussionen/Gerüchten führen. Wenn dies geschieht, so ist die Gesellschaft unberechenbar. Dadurch kann die Ehre auf jeden Fall bis aufs Letzte in den Dreck gezogen werden, was danach nicht einfach zu "säubern" ist. Wenn man dann noch weiss, dass man durch ein unbedachtes Ereignis die einem nahestehenden Personen darunter leiden, so wird die Verzweiflung noch ausgeprägter, was letztlich zu Taten führen kann, welche man sich niemals hätte trauen können. Verzweiflungstaten.

"Die Gewalt von Worten kann manchmal schlimmer sein als die von Ohrfeigen und Pistolen."
- Heinrich Böll: Interview im Oktober 1974 (Quelle: Wikipedia)

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